Aufgabe des Abschlussprüfers ist es ein Urteil darüber abzugeben, ob der geprüfte Abschluss den anwendbaren Rechnungslegungsstandards entspricht. Ein Betrugsbekämpfungsinstrument ist die Abschlussprüfung jedoch nicht. Gleichwohl ist es für die Öffentlichkeit wichtig zu wissen, dass der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer aufgrund seiner Unabhängigkeit, Objektivität und kritischen Grundhaltung Fehlverhalten, welches ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bei einer ordentlichen Revision zur Kenntnis gelangt, gegenüber Verwaltungsrat und ggf. Generalversammlung anspricht. Während der gesamten Prüfung hat der Abschlussprüfer eine kritische Grundhaltung beizubehalten und die Möglichkeit einer Ausserkraftsetzung von Kontrollen durch das Management in Betracht zu ziehen. Bei einer eingeschränkten Revision hingegen berücksichtigt der Abschlussprüfer das Risiko von Betrug im Unternehmen nicht, sondern er fokussiert auf die unmittelbaren Geschäftsrisiken, die im Jahresabschluss ihren Niederschlag finden.
Take-Outs
- Es liegt in der Verantwortung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung dafür zu sorgen, dass in einem Unternehmen integer gehandelt wird.
- Die Jahresabschlussprüfung hingegen hat zum Ziel zu beurteilen, ob die von VR und GL erstellte Jahresrechnung den einschlägigen Rechnungslegungsnormen entspricht und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zutreffend wiedergibt.
- Im Fall der ordentlichen Revision der Jahresrechnung bedeutet dies aber auch, dass der Abschlussprüfer das Risiko von Falschdarstellungen in der Jahresrechnung aufgrund von Verstössen (Bilanzmanipulation, Vermögensschädigungen) zu berücksichtigen hat.
- Der Abschlussprüfer geht jedoch bei aller kritischen Grundhaltung nicht forensisch vor und von der Revisionsstelle kann deshalb nicht erwartet werden, dass sie sämtliche Fälle von Betrug erkennt.
- Korruptionsbekämpfung im Unternehmen kann nur im Verbund verschiedener Massnahmen gelingen. Dazu gehören
a. ein integrer Verwaltungsrat,
b. klare Kontroll- und Reportingstrukturen (ggf. inkl. interne Revision),
c. eine ethische Grundhaltung im Unternehmen,
d. ein Abschlussprüfer, der seitens des Verwaltungsrats volle Unterstützung erhält und sich im Unternehmen frei bewegen kann. - Darüber hinaus kann der Verwaltungsrat in eigener Kompetenz jederzeit eine externe Prüfungsgesellschaft mit zusätzlichen Prüfungsaufträgen mandatieren und Abklärungen zu allfälligen internen Betrugsvorkommnissen im Unternehmen vornehmen lassen.
Beabsichtigte und unbeabsichtigte Fehler im Jahresabschluss
Der Zweck einer Abschlussprüfung in Form der so genannten ordentlichen Revision besteht darin, das Mass an Vertrauen der Anspruchsgruppen in den Abschluss zu erhöhen. Dies wird dadurch erreicht, indem der Abschlussprüfer ein Prüfungsurteil darüber abgibt, ob der Abschluss in allen wesentlichen Belangen in Übereinstimmung mit den Rechnungslegungsvorschriften aufgestellt wurde. Dafür muss der Prüfer Sicherheit darüber erlangen, dass der Abschluss als Ganzes frei von wesentlichen – beabsichtigten oder unbeabsichtigten – falschen Darstellungen ist. Unter beabsichtigt falschen Darstellungen versteht man Schäden aufgrund von Bilanzmanipulationen oder Vermögensschädigungen, so genannte «dolose» Handlungen. Unter unbeabsichtigten Fehler fallen allgemein Irrtümer, zum Beispiel in der Anwendung von Rechnungslegungsstandards.
Die Wahrscheinlichkeit, dass dolose Handlungen aufgedeckt werden, ist geringer als die Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigte Irrtümer zu erkennen. Dies liegt daran, dass bei dolosen Handlungen möglicherweise eine wohl durchdachte und sorgfältig organisierte Vorgehensweise zur Verschleierung vorliegt. Solche Fälle sind zum Beispiel Fälschung, absichtliche Nichterfassung von Geschäftsvorfällen oder der «Griff» in die Firmenkasse.
Aufdeckung von Betrugsfällen im Unternehmen
Die Verantwortung für die Verhinderung und Aufdeckung doloser Handlungen liegt sowohl bei dem für die Überwachung der Einheit verantwortlichen Verwaltungsrat als auch beim Management. Doch was kann die Abschlussprüfung zur Aufdeckung von betrügerischem Handeln beitragen? Denn auch bei einer ausgeprägten kritischen Grundhaltung geht der Prüfer nicht forensisch vor, das heisst, er geht nicht ständig von der Annahme aus, dass betrogen wurde, und dass gezielt nach Spuren von regelwidrigem Verhalten gesucht werden müsste.
Um dennoch im Rahmen einer ordentlichen Revision eine hinreichende Sicherheit zu erreichen, hat der Abschlussprüfer dafür Sorge zu tragen, während der gesamten Prüfung eine kritische Grundhaltung beizubehalten und die Möglichkeit einer Ausserkraftsetzung von Kontrollen durch das Management in Betracht zu ziehen.
Sollte der Abschlussprüfer Hinweise auf Verletzungen von Gesetzen oder Rechtsvorschriften haben, so ist dies mit dem Management beziehungsweise dem Verwaltungsrat zu erörtern. Der Abschlussprüfer hat ggf. sogar die Pflicht, wesentliche Fälle der Generalversammlung im Rahmen seiner Revisionsberichterstattung zu melden. Das in der Schweiz bestehende Revisions- und Berufsgeheimnis verbietet es dem Abschlussprüfer jedoch, Strafverfolgungsbehörden einzuschalten.
Nun ist es aber nicht so, dass jeder Korruptionsfall auch eine wesentliche Gesetzesverletzung mit unmittelbarer Auswirkung auf den Jahresabschluss darstellt und entsprechend auch der Generalversammlung zu melden ist. Wo das Management rasch und angemessen auf einen Korruptionsfall reagiert, kann im Rahmen des Ermessens auch auf eine Benachrichtigung der Generalversammlung verzichtet werden.
Verantwortung bei Verwaltungsrat und Geschäftsleitung
Von der Revisionsstelle kann aufgrund ihres Gesetzesauftrags nicht erwartet werden, dass sie sämtliche Fälle von Betrug erkennt. Korruptionsbekämpfung im Unternehmen kann nur im Verbund verschiedener Massnahmen gelingen. Dazu gehören
- ein integrer Verwaltungsrat;
- klare Kontroll- und Reportingstrukturen und – je nach Grösse der Unternehmung – der Einsatz einer internen Revision, die direkt an den Verwaltungsrat rapportieren sollte;
- eine ethische Grundhaltung im Unternehmen;
- ein Abschlussprüfer, der seitens des Verwaltungsrats volle Unterstützung erhält und sich im Unternehmen frei bewegen kann.
Je grösser resp. komplexer ein Unternehmen, desto höher auch das Aufsichtsrisiko für den Verwaltungsrat. Dieser tut daher gut daran in eigener Kompetenz externe Prüfungsgesellschaften mit zusätzlichen Prüfungsaufträgen zu mandatieren, um allfällige interne Betrugsvorkommnisse im Unternehmen abklären zu lassen.
In den Medien werden immer wieder Fälle ausgeführt, in denen die obigen Punkte nicht umfassend gegeben sind. Der Wirtschaftsprüfer hat keinen eigenständigen Auftrag derartiges Fehlverhalten aufzudecken. Jedoch ist es für die Öffentlichkeit wichtig zu wissen, dass der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer aufgrund seiner Unabhängigkeit, Objektivität, kritischen Grundhaltung und ethischem Verantwortungsbewusstsein Fehlverhalten, welches ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangt, gegenüber Verwaltungsrat und ggf. Generalversammlung anspricht.