1) Warum ist die Unabhängigkeit so wichtig? Basis der Glaubwürdigkeit und Relevanz der geprüften Informationen und somit Basis des Vertrauens
Der Wirtschaftsprüfer bzw. die Wirtschaftsprüferin befindet sich im Spannungsfeld einer Drei-Parteien-Beziehung: Vom Revisionskunden beauftragt, prüft er bzw. sie dessen Jahresabschluss mit dem Ziel, dem Abschlussadressaten Sicherheit über die Korrektheit der im Jahresabschluss enthaltenen Informationen zu geben.
In der Beurteilung der Informationen im Jahresabschluss soll der Berufsangehörige sachlich, unvoreingenommen, nicht einseitig sowie frei von Interessenkonflikten sein. Voraussetzung für diese Objektivität ist die Unabhängigkeit des Berufsangehörigen gegenüber dem Revisionskunden. Die Unabhängigkeit ist damit zentrales Element der Wirtschaftsprüfung und fundamentaler Grundsatz unseres Berufsstands.
2) Unabhängigkeit ist kein absolutes Konstrukt (niemand ist total unabhängig)
Kaum eine andere Branche hat sich jedoch so viele Gedanken dazu gemacht, wie das Thema Unabhängigkeit operationalisiert werden kann wie die Revisionsbranche.
3) Differenzierung der inneren und äusseren Unabhängigkeit
Unabhängigkeit ist mit der Pflicht zu Objektivität und Integrität verbunden. Sie umfasst:
- die innere oder tatsächliche Unabhängigkeit (Independence of mind), d.h. die innere Einstellung, die ein Urteil zulässt, ohne dabei von Einflüssen beeinträchtigt zu sein, die das
berufliche Urteilsvermögen gefährden, und die es dem Einzelnen erlaubt, mit Integrität zu handeln sowie Objektivität und eine berufsübliche kritische Grundhaltung anzuwenden; - die äussere Unabhängigkeit bzw. die Unabhängigkeit dem Anschein nach (Independence in appearance), d.h. die Vermeidung von Umständen, die so schwer ins Gewicht fallen, dass eine Drittperson daraus schliessen müsste, die Integrität, die Objektivität oder die
berufsübliche kritische Grundhaltung des Prüfungsunternehmens oder eines Mitglieds des Prüfungsteams seien gefährdet.
4) Wahrung der Unabhängigkeit bei Prüfung und Beratung im KMU-Umfeld
Die Schweizer Wirtschaft möchte effiziente Unterstützung von Branchenangehörigen; gerade im KMU-Umfeld sind «Dienstleistungen aus einer Hand» gewünscht und das professionelle Ermessen des Prüfers bzw. der Prüferin spielt eine wichtige Rolle.
Grundsatz Selbstprüfungsverbot: Der Prüfer bzw. die Prüferin darf keine Informationen überprüfen, an deren Erstellung er bzw. sie selbst mitgewirkt hat.
Im Rahmen der eingeschränkten Revision sind die Mitwirkung bei der Buchführung und das Erbringen anderer Dienstleistungen für die geprüfte Gesellschaft zulässig. Sofern das Risiko der Überprüfung eigener Arbeiten entsteht, muss durch geeignete personelle und organisatorische Massnahmen eine verlässliche Prüfung sichergestellt werden. Zudem ist der Sachverhalt im Revisionsbericht offenzulegen.
5) Rotation des leitenden Revisors bzw. der leitenden Revisorin nach sieben Jahren
Gesetzlich ist eine Rotation vom leitenden Revisor bzw. der leitenden Revisorin nach sieben Jahren vorgesehen, um eine zu grosse Vertrautheit mit dem Kunden zu vermeiden. Bei der ordentlichen Revision darf die Person, die die Revision leitet, das Mandat längstens während sieben Jahren ausführen. Sie darf das gleiche Mandat erst nach einem Unterbruch von drei Jahren wieder aufnehmen.
Bei Gesellschaften des öffentlichen Interesses gilt die Rotationspflicht nach sieben Jahren für sämtliche verantwortlichen Prüferinnen und Prüfer sowie für die Person, welche für die mandatsspezifische Qualitätssicherung verantwortlich ist.
6) Reduktion von Klumpenrisiken bzw. Vermeidung wirtschaftlicher Abhängigkeit
Die jährlichen Honorare aus Revisions- und anderen Dienstleistungen für eine einzelne Gesellschaft und die mit ihr durch einheitliche Leitung verbundenen Gesellschaften (Konzern) dürfen 10 Prozent ihrer gesamten Honorarsumme nicht übersteigen.
Eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Prüfungsunternehmens vom Kunden kann sich primär aufgrund des Prüfungsmandats (nicht mehr als 10 Prozent der gesamten Honorarsumme gemäss Art. 11 RAG) ergeben, hingegen ist das Risiko einer finanziellen Abhängigkeit über das Beratungsmandat deutlich geringer.
Die Kompatibilität von Prüfung und Beratung in verschiedenen Prüfungssegmenten sowie die bestehenden Schutzvorkehrungen sind in nachstehender Abbildung dargestellt.